„Wir brauchen Regeln für die neue Arbeitswelt“

26. April 2016

Stadtverband Aschaffenburg diskutierte über „Arbeit 4.0“ und ihre Folgen für die Gesellschaft

Viele Informationen sowie eine angeregte Diskussion zur Arbeitswelt der Zukunft gab es bei einer Veranstaltung des SPD-Stadtverbands Aschaffenburg. Unter dem Titel „Arbeit 4.0: Mehr Internet – weniger Arbeitsplätze“ informierten Abgeordnete sowie Vertreter aus der Praxis über den Wandel, welchen der Übergang zur „Industrie 4.0“ mit sich bringt. Chancen und Risiken dieser Entwicklung wurden gleichermaßen beleuchtet.

In der „Industrie 4.0“ nimmt die Bedeutung der Digitalisierung immer weiter zu. Maschinen und Produkte sind über ein „Internet der Dinge“ miteinander verbunden. Dies führt dazu, dass einerseits Arbeitsplätze wegfallen, andererseits aber auch völlig neue Berufsfelder entstehen können.

„Was für viele noch nach Science-Fiction klingt, ist heute bereits Realität. Der wirtschaftliche Wandel wirft dabei bedeutende Fragen auf: Schaffen deutsche Unternehmen die Digitalisierung?“, fragte Martina Fehlner. Die Landtagsabgeordnete verwies vor allem auf die Bedeutung dieser Frage für die Wirtschaftsregion Bayerischer Untermain mit ihrer starken Industriepräsenz sowie den Ruf Bayerns als High-Tech-Standort. Dabei erinnerte sie auch an die langfristigen Weichenstellungen zu Beginn der 2000er Jahre: „Damals war Deutschland der kranke Mann Europas. Fachleute empfahlen, die Industrie abzuwickeln und sich auf Dienstleistungen zu konzentrieren.“ Dass man dies nicht getan hat, habe laut Fehlner den Grundstock dafür gelegt, dass Deutschland heute das wirtschaftliche Zugpferd Europas sei. Auch jetzt seien derartige Weichenstellungen wieder notwendig: durch den Aufbau einer zukunftsgerichteten Infrastruktur und durch die Vermittlung einer digitalen Bildung in der Schule. „Ich bin dafür, dass Informatik Pflichtfach wird“, bekräftigte Fehlner. Gleichzeitig warnte sie aber auch vor möglichen negativen Folgen der Digitalisierung, beispielsweise der ständigen Erreichbarkeit von Beschäftigten. „Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob Werkverträge und Leiharbeit in diesem Zusammenhang nicht nur der Anfang einer viel weitergehenden Flexibilisierung von Arbeitskraft sind“, warnte die Aschaffenburger Landtagsabgeordnete.

Genau wie Fehlner betonte auch der Gemündener Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel, dass der Übergang zur „Industrie 4.0“ nicht aufzuhalten sei. „Die Welt ist immer Veränderungen unterworfen, und der digitale Wandel ist real. Aber er muss von der Politik mitgestaltet und geregelt werden.“, so Rützel. Er betonte, dass es mit den sogenannten „Clickworkern“ bereits heute eine neue Berufsgruppe gibt, die durch die Digitalisierung entstanden ist. Diese erledigten zumeist einfache Aufgaben gegen eine geringe Bezahlung. Dabei seien sie ohne eine existentielle Absicherung und besitzen keine Vertretung. „Sozialpartner und Staat müssen über die Zukunft der Arbeitswelt reden, die Politik muss Regeln und Gesetze anpassen – und das europaweit!“, erklärte Rützel, der auch auf das Grünbuch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) einging, das sich mit dem Thema „Arbeiten 4.0“ beschäftigt. Der im April 2014 begonnene Diskussionsprozess soll Ende dieses Jahres in ein Weißbuch des BMAS zum Thema münden. Rützel verwies auch auf eine historische Kontinuität der heutigen Entwicklungen: „Industrielle Revolutionen gehen immer mit Veränderungen des Sozialen einher. Der Übergang zur „Industrie 4.0“ wirft auch neue sozialpolitische Fragen auf: Wie machen wir unsere Versicherungssysteme fit? Wie schützen wir neue Berufsgruppen vor sozialen Risiken?“ Bei all diesen Entwicklungen betonte er auch die Bedeutung des Normalarbeitsverhältnisses, von Aus- und Weiterbildung sowie der betrieblichen Mitbestimmung für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands.

Sowohl Benno Soder vom Berufsausbilder-Verband Bayern wie auch Dr. Gerald Heimann von ZENTEC hoben die besondere Qualität der heutigen Ausbildung hervor. „Auch in der Industrie 4.0 müssen die Auszubildenden zuallererst die Grundkompetenzen mitbringen. Die Ausbildungsordnungen sind heute schon breit aufgestellt“, erklärte Soder. Er betonte auch, dass z.B. das Handwerk Bestand haben wird, es also nicht nur „Industrie 4.0“ geben wird. Dr. Heimann forderte in Übereinstimmung mit den Gästen aus dem Bildungsbereich, dass schon in Kindergärten und Schulen eine möglichst breite Bildung vermittelt werden muss: „Neben Laptops brauchen die Kinder auch Knete, Kleber und Malstifte. Wir brauchen zukünftig die logischen Denker genauso wie die Freigeister.“ Alle Diskussionsteilnehmer schlossen sich der abschließenden Feststellung an, dass die „Industrie 4.0“ vor allem die Aufgabe haben wird, den Menschen das Leben einfacher und besser zu machen.

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